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Peter Baltes

Freie Universität Berlin

Wie ediert man einen Überlieferungsprozess?  Probleme bei der Edition von Prosaromanen des 15. und 16. Jahrhunderts

Bio

  • Studium der Deutschen Philologie (mit Editionswissenschaft), Philosophie und Soziologie an der Freien Universität Berlin
  • von April 2009 bis März 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der mediävistischen Germanistik der Bergischen Universität Wuppertal
  • seit April 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsche und Niederländische Philologie, Abteilung Ältere deutsche Literatur und Sprache
  • Forschungsinteressen: Prosaromane des 15. und 16. Jahrhunderts; Konzepte des Wunderbaren in der Literatur des Mittelalters; Editionswissenschaft

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Abstract

Der Versuch, die Prosaromane des 15. und 16. Jahrhunderts zu edieren, stellt Editoren vor große Probleme: Die Überlieferung dieser Texte ist in den meisten Fällen nicht rekonstruierbar, denn oftmals waren mehrere Fassungen eines Textes zur gleichen Zeit im Umlauf, wobei sich rückblickend nicht entscheiden lässt, welche die ‚bessere‘ oder ‚originalere‘ war.  Durch die Erfindung des Buchdrucks hat sich die Zahl der Textvarianten noch einmal vergrößert. Die Abhängigkeitsverhältnisse der verschiedenen Textfassungen zu ermitteln, erweist sich meist als unmöglich und damit auch der Versuch, mit Hilfe textkritischer  Verfahren, wie sie im 19. Jahrhundert an den Handschriften des Hochmittelalters entwickelt wurden, einen Text zu rekonstruieren, der dem Original möglichst nahe kommt. Abgesehen von diesen praktischen Problemen erscheint im Falle der spätmittelalterlichen Prosaromane die Vorstellung, es habe einen Originaltext gegeben, sehr fragwürdig, da sie dem Texttypus und der literarischen Praxis der Zeit nicht angemessen erscheint. Das Interessante an diesen Texten besteht nicht zuletzt darin, dass sie in kurzer Zeit an neue Gebrauchssituationen angepasst wurden. Die Idee eines feststehenden Originals, welches von einem Autor stammte, war den Zeitgenossen fremd. Dennoch hat es im 20. Jahrhundert Versuche gegeben, mittels textkritischer Verfahren Texte herzustellen, die einem gedachten Original möglichst nahe kommen sollten (z.B. “Melusine”, “Faustbuch”). Sinnvoller als der Versuch, ein Original zu rekonstruieren, erscheint es, die Veränderungen im Laufe des Überlieferungsprozesses darzustellen, anstatt in gegenläufiger Richtung die Varianten als ‚Fehler‘ und ‚Verderbnisse‘ des Textes zu tilgen. Doch wie lässt sich ein Überlieferungsprozess in einer Edition darstellen? Kann man überhaupt davon sprechen, ‚einen‘ Text zu edieren? Was ist unter diesem Blickwinkel überhaupt ein Text? Welche Kriterien haben Editoren bei früheren Editionen ihrer Arbeit zugrunde gelegt? Wie könnten Kriterien für zukünftige Ausgaben aussehen? Diesen Fragen möchte der geplante Vortrag nachgehen.

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